Forschende der Silicon-Economy haben weitere Algorithmen in die »ML Toolbox« – einen Machine-Learning-Baukasten, mit dem Unternehmen KI-Software für unterschiedlichste Aufgaben einfach selbst erstellen können – aufgenommen. Ob für das automatisierte Auslesen von Containercodes oder das Tracking von LKWs auf dem Yard: Unternehmen werden mit einem speziellen geführten Training sicher durch den gesamten Machine-Learning-Prozess geführt. Der »Guided Training Service« ist eine der Komponenten der »ML Toolbox«, die bereits als Open Source im Repository der Open Logistics Foundation stehen und von Unternehmen kostenlos eingesetzt werden können. Die neuen Algorithmen sind allerdings noch nicht zugänglich: Die Forschenden erstellen hier derzeit noch anwenderfreundliche Tutorials. Die Veröffentlichung ist bis Ende des Jahres geplant.

Wie unterstützt die »ML Toolbox« Logistikunternehmen bei der Einführung von Künstlicher Intelligenz?

Für Künstliche Intelligenz gibt es in der Logistik heute eine Vielzahl von Anwendungsfällen: Die Technologie ist reif für den industriellen Einsatz und hat das Potenzial, Produktions- und Qualitätsprozesse zu revolutionieren. Damit der Einstieg für Unternehmen leichter wird, haben Forschende der Silicon Economy die »ML Toolbox« entwickelt. »Unser Baukasten beinhaltet passgenaue Algorithmen, mit denen gerade auch Unternehmen aus dem Mittelstand die Entwicklung, Implementierung und Wartung von kamerabasierter Machine-Learning-Software in die eigene Hand nehmen können«, so Maximilian Otten, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IML und Mitglied im Team »ML Toolbox«. Machine Learning hilft Unternehmen dabei, aus verschiedenen Datenquellen wertvolle Erkenntnisse für Entscheidungen und Prozessoptimierungen abzuleiten. KI-Modelle sind Programme, die anhand von Datensätzen Muster erkennen und vorhersagen können. Diese Daten werden genutzt, um die Algorithmen zu trainieren und ihre Genauigkeit zu verbessern.

Bei welchen Aufgaben können die Algorithmen der »ML Toolbox« die Logistik unterstützen?

Die »ML Toolbox« ist ein Werkzeugkasten für die KI-gestützte Bildverarbeitung. Die inzwischen sieben Algorithmen-Arten der »ML Toolbox« bieten der Logistik ein breites Anwendungsspektrum in der Intralogistik, ob im Lager oder auf dem Yard, und in der Transportlogistik:

  • Classification zur Erkennung eines Fahrzeugs oder eines Ladungsträgers (»was«)
  • Sowohl (Rotated) Object Detection als auch Instance Segmentation zur Erkennung und Abgrenzung eines Fahrzeugs oder eines Ladungsträgers von anderen Gegenständen (»was« und »wo«)  
  • Object Tracking zur Lokalisierung von Fahrzeugen auf einem Yard oder Ladungsträgern in einem Lager (»wo« und »welche Entität«)
  • Text Recognition zum Auslesen von Fahrzeug-Kennzeichen oder Codes an Ladungsträgern

Wie funktioniert die Entwicklung der KI-Software mit »MLOps«?

Unternehmen werden in der »ML Toolbox« gemäß des noch relativ neuen Ansatzes »MLOps«, kurz für Machine Learning Operations, durch den kompletten Prozess des Machine-Learning-Lebenszyklus geführt. MLOps bezeichnet Workflows und Prozesse, die die Entwicklung, Bereitstellung und Wartung von Machine-Learning-Modellen standardisieren, automatisieren und vereinfachen. Mit der »ML Toolbox« können KI-Modelle in sogenannten Pipelines über alle Phasen und damit über den gesamten Lebenszyklus einer ML-Anwendung hinweg orchestriert werden. Zu den Phasen gehören unter anderem die Erstellung von Datensätzen, das Trainieren und Validieren der KI-Modelle, das Deployment der Modelle in produktive Umgebungen und schließlich die Sammlung neuer Daten. Dieser iterative Prozess erlaubt eine kontinuierliche Verbesserung und Anpassung der Modelle an aktuelle Anforderungen – gewissermaßen in einer digitalen Endlosschleife. So können regelmäßig neue Versionen der KI-Modelle veröffentlicht werden, was die Leistung und Genauigkeit der Anwendung fortlaufend optimiert. »Durch die Automatisierung von ML-Prozessen können Modelle schneller implementiert und aktualisiert werden. Das spart Zeit und senkt Kosten«, erläutert »ML-Toolbox«-Experte Maximilian Otten die Vorteile des Verfahrens.

Welche Schritte sind für die Erstellung der KI-Software mit der »ML Toolbox« konkret erforderlich? 

Im Mittelpunkt der »ML-Ops«-Pipeline der »ML Toolbox« steht die im Forschungsprojekt entwickelte Komponente »Guided Training Service«. Üblicherweise erfordert das Training hochqualifizierte Spezialisten, die nicht zuletzt auch angesichts des Fachkräftemangels kaum noch verfügbar oder für den Mittelstand nicht erschwinglich sind. Der »Guided Training Service« wird über einen Webbrowser aufgerufen, der Nutzer durch den gesamten Prozess der Erstellung eines KI-Modells für seinen spezifischen Anwendungsfall geführt:

  • Schritt 1: Erstellung eines Datensatzes, Hochladen der Bilddaten, Annotation der Bilddaten
  • Schritt 2: Auswahl des Algorithmus-Arten sowie Architektur und der Klassen, die erkannt werden sollen
  • Schritt 3: Anstoßen des Trainings und Berechnung der Validierungsmetriken

Danach steht das trainierte KI-Modell direkt für das Deployment in die Unternehmenssoftware bereit und kann im Betrieb wertvolle Prozessdaten generieren.

Wie profitiert die Forschung von der »ML Toolbox«?

Die »ML Toolbox« ist nicht nur für Unternehmen interessant, sondern auch für die wissenschaftliche Community. Die »ML Toolbox« stellt für die Forschung gleich drei Vorteile dar: Zum einen steht sie Open Source zur Verfügung und kann von allen für weitere Forschungsprojekte genutzt werden. Zum anderen folgt die ML-Toolbox den neusten Prinzipien von ML Ops und bietet damit die Möglichkeit, die Anwendung von neusten Bildverarbeitungsalgorithmen zu automatisieren. Darüber hinaus können neue Algorithmen einfach in die bestehenden Pipelines eingebunden werden, sodass eine Menge an Overhead eingespart wird. 

So ist die »ML Toolbox« am Fraunhofer IML selbst bereits in unterschiedlichsten Projekten im Einsatz – sowohl in öffentlich geförderten Forschungsprojekten als auch im Rahmen von Projekten, die direkt von Unternehmen beauftragt werden: »Normalerweise müssen Entwicklerinnen und Entwickler für Machine-Learning-Anwendungen jede Menge manuelle Prozesse durchlaufen. Die ML Toolbox abstrahiert diese Prozesse und automatisiert sie. Das stellt eine enorme Arbeitserleichterung dar«, sagt Luca Kotulla vom Fraunhofer IML, ebenfalls Mitglied im Team »ML Toolbox«. Der Baukasten kam unter anderem bereits in einem Projekt zum Lkw-Tracking auf einem Yard zum Einsatz, das beim Logistikdienstleister DACHSER im Pilotbetrieb lief.