Größere, international agierende Speditions- und Logistikhäuser gehen bei der Digitalisierung seit vielen Jahren voran, kleinere Speditionen verfügen hierfür meist über deutlich weniger Ressourcen. Gleichwohl sind diese Unternehmen über Generationen äußerst erfolgreich, arbeiten hochspezialisiert in einer Nische und erfüllen dort wichtige Funktionen. Eine echte Digitalisierungsstrategie bleibt im betrieblichen Alltag aber oftmals auf der Strecke. Es läuft die Standard-Software der einschlägigen IT-Anbieter und sie läuft und läuft … Ein bewährtes System verändert man eben nicht so leicht. Sonst hat man nur Ärger.
Und jetzt Open Source?! »Was nichts kostet, das taugt auch nichts« – so haben viele potenzielle Anwender von Open Source-Software in der Logistik ihre Skepsis in den vergangenen Jahren immer wieder auf den Punkt gebracht. Doch diese Einstellung ändert sich jetzt. Tatsächlich fragen sich immer mehr Unternehmen, wie sie an Open Source-Lösungen teilhaben können, dass die Einstiegshürden niedrig sind – dass es also tatsächlich nichts kostet, gerade weil es etwas taugt …
Plattformen treiben Open Source
Getrieben wird diese Entwicklung durch den wachsenden Stellenwert von Plattformen. Nach den bekannten Entwicklungen im B2C-Bereich werden Logistik-Plattformen für den B2B-Bereich immer stärker als Chance begriffen, Prozesse effizienter und transparenter zu gestalten. Dazu gehören Open Source Plattformen, wie sie das Fraunhofer IML im Rahmen ihrer Silicon Economy Projekte entwickelt. Hierzu zählen zum Beispiel Ankunftszeitenprognosen. Ein KI-gestützter ETA-Dienst verbessert hier die Konnektivität intermodaler Transporte und die exakte Bestimmung und gegebenenfalls Anpassung der gesamten Transportdauer in Echtzeit. Zudem wurden Komponenten für das digitale Ladungsträgermanagement entwickelt, die bereits in eine Plattform des Start-ups Logistikbude, eine Ausgründung aus dem Fraunhofer IML, eingeflossen sind. Von besonderer Bedeutung ist selbstverständlich der digitale Frachtbrief, für den in einem weiteren Projekt der »Silicon Economy« Open Source-Komponenten entwickelt werden. Gleichzeitig wird dort ein sogenannter e-freight-Folder entwickelt – ein digitales Wallet für den Lkw-Transport, in der neben dem e-Frachtbrief noch weitere Warenbegleitscheine aufbewahrt werden sollen.
Beschleunigt wird die Entwicklung von Plattformen durch die 2020 in Kraft getretene EU-Verordnung über elektronische Frachtbeförderungsinformationen (eFTI). Sie verpflichtet die Behörden der Mitgliedsstaaten, gesetzlich vorgeschriebene Informationen bei der Güterbeförderung wie Frachtbriefe in elektronischer Form zu akzeptieren. Im Rahmen des Digital Transport & Logistics Forum (DTLF) der Europäischen Union wird derzeit eine Elektronische Frachttransportinformations-Plattform aufgebaut, die dem Prinzip der Silicon Economy folgt. Sie ist dezentral organisiert – es gibt keinen zentralen Anbieter. Unternehmen können damit nebeneinanderher existieren, ihre eigene Plattform aufbauen und diese miteinander verbinden.
Damit geht der Aufbau einer offenen Community einher – und zwar nach europäischen Werten: Trotz faktisch deutlich größerer Marktmacht hat eine große internationale Spedition hier nicht mehr Gestaltungseinfluss als ein mittelständisches Speditionsunternehmen. Ihren Kunden gegenüber stehen alle Unternehmen in der Verantwortung, mit den neuen digitalen Möglichkeiten Schritt zu halten.
Angstfrei, mutig und innovationsfreudig
Tatsächlich werden in der Logistik auf Dauer nur »konnektive« Unternehmen erfolgreich sein. Wer nicht anschlussfähig ist, der wird vom Markt verschwinden. Konnektivität setzt aber ein besonderes Mindset voraus: Es geht darum, interdisziplinäre Teams zu bilden, Kunden in Projekte mit einzubeziehen, schnell Prototypen oder neue Prozesse zu entwickeln und dann die Fehler zu finden und zu eliminieren. Das Mindset der Logistikunternehmen von morgen ist angstfrei, mutig und innovationsfreudig zu sein und sich von Glaubenssätzen wie: »Das haben wir noch nie so gemacht« zu verabschieden. Diese Denkweise erleichtert gerade auch den Umgang mit der IT und macht diese sehr viel schlagkräftiger.
Mit der »Silicon Economy« ist der Grundstein von Seiten der Forschung gelegt und die 2021 gegründete Open Logistics Foundation ermöglicht es den Unternehmen, sich für Open Source zu engagieren. Mit einer Mitgliedschaft im Open Logistics e. V., dem Förderverein der Open Logistics Foundation können sie aktiv an der Entwicklung von Open Source-Software beteiligen, eigene Projekte unter dem Dach der Stiftung initiieren. Eine Mitarbeit in der Softwareentwicklung laufender Projekte ist sogar ohne Mitgliedschaft möglich. Damit haben jetzt auch kleine und mittlere Speditionen die Chance, die neuen Entwicklungen mitzugestalten und daran teilzuhaben. Dass sie diese Chance nutzen, ist in ihrem Interesse und im Interesse der Logistik in ihrer Gesamtheit. Die Zeit ist reif!